Kapitalmarktunion: Stabilisierende Signale von der Europäischen Kommission in unsicheren Zeiten

CrossLend
5 min readNov 5, 2020

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Die europäische Kapitalmarktunion ist einen weiteren Schritt vorangekommen: Ende September hat die Europäische Kommission diesbezüglich ihren neuen Aktionsplan veröffentlicht und damit ein gutes Gespür für das richtige Timing bewiesen: Der Brexit bewegt sich weiter in Richtung eines harten Abschieds der Briten aus der EU und Covid-19 breitet sich schneller in Europa aus als je zuvor. In diesem Umfeld sendet der Aktionsplan ein stabilisierendes Signal.

Die EU-Kommission kündigt unter anderem an, den aktuellen regulatorischen Rahmen für Verbriefungen überarbeiten zu wollen. Das Ziel: Die Kreditvergabe an Unternehmen in der EU zu verbessern, insbesondere für kleine und mittelständische Betriebe.

Bis zum vierten Quartal 2021 will die Kommission außerdem untersuchen, inwiefern die Regeln für Börsengänge vereinfacht werden können. Das beträfe sowohl den Freiverkehr für kleine und mittelständische Wachstumsunternehmen, als auch den Regulierten Markt, etwa den Prime und General Standard der Deutschen Börse. Dies würde mit Sicherheit dabei helfen, den Kapitalmarkt zu stärken — und wäre ein entscheidender Schritt, um die Unsicherheit zu verringern, der sich Europas Wirtschaft zurzeit gegenübersieht.

In den folgenden Zeilen werfen wir einen Blick darauf, was diese möglichen Veränderungen für die Marktakteure in Europa bedeuten würden. Zunächst werden wir erläutern, wie eine Vereinfachung der Listing-Regeln europäischen Firmen helfen könnte. Als zweites werden wir analysieren, wie ein überarbeitetes regulatorisches Rahmenwerk aussehen könnte. Doch bevor wir auf den Aktionsplan eingehen, möchten wir begründen, welchen Nutzen die Vollendung der Kapitalmarktunion bringt.

Die Stärke eines gemeinsamen europäischen Finanzmarktes

Das europäische Motto „In Vielfalt geeint“ steht im Einklang mit den Zielen der Kapitalmarktunion, einer Initiative, die bereits weit vor der Covid-Pandemie ins Leben gerufen wurde. Tatsächlich war der freie Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten bereits in den Römischen Verträgen eines der wesentlichen Ziele. Die 27 Nationen des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) mögen sehr unterschiedlich sein, doch es steht fest, dass ein gemeinsamer europäischer Kapitalmarkt weitaus widerstandsfähiger wäre als 27 einzelne nationale Märkte. So auch die Ansicht der deutschen Finanzaufsicht BaFin, dargelegt in einem aktuellen Artikel mit dem aussagekräftigen Titel „Kapitalmarktunion vorantreiben — gerade jetzt“. Darin wird betont, dass eine Integration der 27 Kapitalmärkte trotz aller Unterschiede Europa aufgrund der erweiterten Finanzierungsmöglichkeiten aus der Pandemie gestärkt hervortreten lassen würde.

In diesem Sinne will der neue Aktionsplan zur Kapitalmarktunion die europäische Wirtschaft unterstützen. Wie oben dargestellt, sieht eine der geplanten Maßnahmen vor, die Listing-Regeln für Europas kleine und mittelständische Unternehmen zu vereinfachen. Das würde diesen Betrieben im gesamten Wirtschaftsraum dringend benötigten Zugang zu Fremdfinanzierung und zusätzlichem Eigenkapital erleichtern. Zusätzlich wären Unternehmen in geringerem Maße abhängig von Bankdarlehen. Verbunden mit einer breiteren Diversifikation auf Seiten der Investoren wäre insbesondere der Mittelstand in der aktuellen wirtschaftlichen Situation robuster aufgestellt.

Vereinfachte Kreditvergabe über europäische Grenzen hinweg — mithilfe von Verbriefungen

Ist ein Mittelständler auf der Suche nach Kapital, ist gut vorstellbar, dass ein passgenaues Angebot nicht im eigenen Land zu finden ist, sondern in einem anderen EU-Staat. Indem die Kreditvergabe über Landesgrenzen hinweg im Geiste der Kapitalmarktunion erleichtert wird, hätte das Kapital die Möglichkeit, dorthin zu gelangen, wo es gebraucht wird. Letztlich bewirkt grenzüberschreitender Kapitalfluss vor allem eins: eine Stärkung der wirtschaftlichen Einheit und des Wachstums. Unserer Ansicht ist es für Erreichung dieser Ziele entscheidend, dass transparente Methoden für die grenzüberschreitende Vergabe von Darlehen entwickelt werden. Das beinhaltet einen allgemeinen europäischen rechtlichen Rahmen, um Investitionen über Rechtsräume hinweg reibungslos abwickeln zu können sowie harmonisierte Berichtsstrukturen und -erfordernisse.

Eine Möglichkeit, dies umzusetzen ist eine breitere Nutzung des bestehenden Werkzeugkastens. Dabei kommt der Methodik der Verbriefungen besondere Bedeutung zu, da hiermit ein flexibles Instrument vorliegt, Europas Unternehmen von einer grenzüberschreitenden Kreditvergabe profitieren zu lassen. Um den Betrieben den Zugang zu Kapital jenseits der eigenen Landesgrenzen zu erleichtern, bedarf es aber klarer Rahmenbedingungen für Verbriefungen. Diese müssen stabile Strukturen sicherstellen und breit angelegte regulatorische Vorteile sowohl für Darlehensnehmer, als auch für Investoren bieten.

CrossLend’s Empfehlungen zum Aktionsplan

In unserem Feedback an die Europäische Kommission zum geplanten Aktionsplan im Juli 2020 setzen wir uns dafür ein, den Rechtsrahmen für Verbriefungen offener und breiter zu gestalten und empfehlen eine hohe Transparenz und ein klares Berichtswesen. Dabei betonen wir die Wichtigkeit unterschiedlicher Arten von Emissionen. Eine breite Transferleistung von Kreditrisiken kann aus unserer Sicht nur erfolgen, wenn die aktuelle Definition von Verbriefungen als tranchierte Emissionen an aktuelle Gegebenheiten angepasst wird und die Tranchierung keine Voraussetzung für eine Verbriefung unter dem europäischen Rahmenwerk darstellt. Somit ist eine Änderung der Regeln nur dann sinnvoll, wenn von der aktuellen Definition von Verbriefung (dem Bündeln von Kreditrisiken und Cashflows in Tranchen) zugunsten eines einfacheren Risikoabwicklungssystems (das Unitranche-Finanzierungen umfasst) abgewichen wird.

Da jetzt der neue Aktionsplan veröffentlicht ist, freuen wir uns sehr, dass die Europäische Kommission auf unsere begründete Sorge eingegangen ist und nun zumindest erwägt, das vorgeschlagene regulatorische Rahmenwerk für Verbriefungen zu überarbeiten. Wir erhoffen uns faire Wettbewerbsbedingungen, bei denen Unitranche-Verbriefungen die gleichen gesetzlichen Vorteile erhalten wie aktuell schon Emissionen mit mehreren Tranchen gemäß den EU-Verbriefungsregularien (2017/2402). Wir hoffen dabei, dass sich andere Unternehmen und Organisationen uns anschließen, beharrlich auf die Wichtigkeit von Unitranche-Emissionen neben traditionell gebündelten Krediten hinzuweisen. Das würde Kapitalmarktteilnehmern erlauben, die volle Bandbreite der verfügbaren Strukturen zu nutzen, und durch die damit ermöglichten erhöhten Volumina an Emissionen die Kapitalmarktunion zu stärken.

Ein möglicher Lösungsansatz ist bereits im neuen Aktionsplan angelegt. In Fußnote 13 des Aktionsplans¹ weist die Europäische Kommission darauf hin, über die Einführung eines Instruments mit doppeltem Rückgriffsrecht nachzudenken, das als European Secured Notes (ESN) bekannt ist. Dieses bereits diskutierte Instrument würde die Vorteile traditioneller gedeckter Schuldverschreibungen mit denen einer Verbriefung verbinden. Die Einführung der ESN wäre in der Lage, eine Lücke zu schließen zwischen Finanzierungsbedarf und dem Wunsch, Risiken auf mehrere Schultern zu verteilen. Auch würde es dazu führen, die Kreditvergabe quer durch Europa zu erleichtern und den Marktzugang zu erweitern. Wir unterstützen dies, weil — natürlich abhängig von der endgültigen Definition — Unitranche-Finanzierungen mit hoher Wahrscheinlichkeit in diese Definition fallen würden.

CrossLend arbeitet mit seinem digitalen Kreditmarktplatz darauf hin, dass sich der Zugang zu den Kapitalmärkten weiter öffnet — und so Investoren erlaubt, ihre Investitionsallokation unter Darlehensnehmern in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten effizienter aufzuteilen. Wir haben unsere digitale Kreditplattform unter der Prämisse aufgebaut, die Kapitalmarktunion effektiv zu stärken. Unsere Mission ist es, Europas Kreditlandschaft besser zu vernetzen, indem wir Kapitalmarktteilnehmern einen transparenten Zugriff auf grenzüberschreitende Investments innerhalb des EWR ermöglichen. Der Anfang ist gemacht — nun freuen wir uns auf die nächsten Schritte, die die Integration der Märkte innerhalb des EWR verbessern werden.

Lesen Sie, was wir der Europäischen Kommission im Detail geschrieben haben: https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12498-Action-Plan-on-the-Capital-Markets-Union/F540876

[1]: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=COM:2020:590:FIN

Über CrossLend:
CrossLend ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zugelassenes sowie beaufsichtigtes und von der luxemburgischen CSSF beaufsichtigtes FinTech-Unternehmen, das einen digitalen europäischen Kreditmarktplatz entwickelt hat. Im Rahmen dieser Entwicklung hat CrossLend gelernt, welche regulatorischen Vorgaben notwendig sind, um die Verbriefungen im Sinne der Kapitalmarktunion effektiv zu gestalten.

Über den Autor:
Jochen Weiss verstärkt seit Juli 2020 das CrossLend Team als Director Regulatory and Accounting Solutions. Dabei ist er Ansprechpartner für Kunden zu allen Fragen rund um das Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht sowie zu Bilanzierungsthemen. Er weist 18 Jahre Erfahrung in diesen spezifischen Themenfeldern bei Instituten und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf.

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